Meinung

Ursula von der Leyen: Kennen Sie diese Frau?

Kurz vor der Europawahl ist Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zwischen parteilichen Unstimmigkeiten und Flirts mit Giorgia Meloni kaum wiederzuerkennen. Von der progressiven Aufbruchstimmung aus ihrem Antrittsjahr ist wenig geblieben. Was ist da los?

von Finn Lyko · 30. Mai 2024
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist politisch schwer einzuschätzen.

Die amtierende Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen ist politisch schwer einzuschätzen.

Es ist der weit verbreitete Eindruck dieser Tage: Das politische Verhalten von Ursula von der Leyen wird immer schwieriger einschätzbar. Sicherlich war es das auch schon 2019, als sie - für viele überraschend - zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt wurde. Damals standen da einerseits die erstaunlich progressiven Punkte ihrer Agenda wie der European Green Deal, auf der anderen Seite beispielsweise die Äußerungen aus der nationalkonservativen PiS-Partei Polens, man habe durch die eigenen Stimmen maßgeblich zur Wahl von der Leyens beigetragen. Schon damals stellten viele die Frage: Was hatte von der Leyen ihnen angeboten?

Abgrenzung von rechtsaußen gelingt nicht

Nun scheint diese Undurchsichtigkeit ein neues Niveau erreicht zu haben. Die klare Abgrenzung von rechtsaußen gelingt von der Leyen auch nach mehrfachen Anläufen nicht. Zu schwammig sind ihre Kriterien dafür, wen sie als demokratisch akzeptiert und wen nicht. Und zu nah ist ihr Verhältnis zu Italiens postfaschistischer Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die sie, mit den Worten des SPIEGEL, „salonfähig“ macht.

Hinzu kommen die immer deutlicheren Diskrepanzen ihrer Politik zu der ihrer christdemokratischen Kolleg*innen in Deutschland. Der European Green Deal inklusive Verbrenner-Aus, gegen das sich die CDU hierzulande so sehr sträubt, wurde von der Kommissionspräsidentin selbst als Europas „man on the moon“-Moment bezeichnet.

Keine Chance auf Er- oder Aufklärung

Doch wer auf Erklärungen oder Aufklärung dieser Widersprüche wartet, kann dies vermutlich lange tun. Denn Ursula von der Leyen ist in diesem Wahlkampf kaum präsent – In der Öffentlichkeit ungefähr so selten wie auf den Wahlplakaten der CDU. In den höchst seltenen Interviews wirkt sie aalglatt und fast scheint es, als würde sie die öffentliche Debatte und die Presse meiden.

Die Öffentlichkeit einer demokratischen Gesellschaft hat aber ein Recht darauf, zu erfahren, wofür die Kandidierenden stehen, die für sie zur Wahl stehen. Doch wofür Ursula von der Leyen steht, ist dieser Tage also schwer zu sagen. Mehr und mehr drängt sich die Frage auf: Was ist da los?

Das kann nichts Gutes bedeuten

Weiß von der Leyen schlichtweg nicht, was für eine Politik sie machen will, sollte sie erneut Kommissionspräsidentin werden? Oder handelt sie einfach opportunistisch und hält sich alle Möglichkeiten offen?

Opportunismus wäre vermutlich die plausiblere Erklärung: Denn aktuell ist die EU nicht mehr das, was sie 2019 noch war. Progressive Regierungen mussten in vielen Ländern überwiegend rechten Mehrheiten weichen. Die vergleichsweise progressive Agenda, die Ursula von der Leyen 2019 letztlich zur Kommissionspräsidentin machte, würde heute mit großer Sicherheit weniger Anklang finden.

Der aktuelle Rechtsruck erfordert jedoch eine klare Haltung der demokratischen Parteien. Doch im Kampf um den Machterhalt lässt Ursula von der Leyen diese bislang vermissen. Sowohl für die Demokratie als auch für Europa ist das hochgefährlich.

Autor*in
FL
Finn Lyko

ist Volontärin in der vorwärts-Redaktion.

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1 Kommentar

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Do., 30.05.2024 - 11:55

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Ich kann ja nur hoffen, daß die belgischen Justizbehörden erfolgreich sein werden. Impfstoffbestellungen in Milliardenhöhe, ohne den Bedarf zu prüfen, per SMS - keine Unterlagen verfügbar, aber Pfizer bekommt das Geld trotzdem. Also im Sinne der EU-Bürger handelt diese Frau nicht - ob sie da mit den Faschisten kuschelt ist doch fast egal.
Verschwendung öffentlicher Mittel ist justiziabel; Kuscheln mit Faschisten ist es nicht.
Auch hier miss gelten: Realpolitik statt Moralinpolitik.