Kultur

#ichbinhier gegen den Hass im Netz

Hass überschwemmt die Kommentarspalten auf Facebook. Die Gruppe #ichbinhier hat einen Weg gefunden, dagegen anzugehen.
von Johanna Lehn · 6. März 2018
Facebook ist ein Sammelbecken für Hasskommentare
Facebook ist ein Sammelbecken für Hasskommentare

Hass ist krass, Respekt ist krasser – frei nach diesem Motto schreibt seit Dezember 2016 die Facebook-Gruppe #ichbinhier gegen Hasskommentare in sozialen Netzwerken an. Aus 300 Mitgliedern am ersten Tag nach der Gründung sind inzwischen über 36.000 Aktivisten geworden. Der Gründer, der Kommunikationsberater Hannes Ley aus Hamburg, beschreibt den Werdegang und die Motivation der Gruppe in seinem neuen Buch.

„Seine Eier gehören abgeschnitten“, zitiert Ley einen Hasskommentator. Und weiter: „Danach in einen kleinen Käfig nur von Raubtieren umgeben, damit sie ihn aufessen – schön langsam Stück für Stück. Der gehört nicht in den Knast, sondern gleich in die Hölle.“ Mit solchen Zitaten beschreibt er nicht nur abstrakt, wie zügellos das Miteinander, oder vielmehr das Gegeneinander, im Internet ist. Er macht es auch für Leser plastisch, die nicht in den Kommentarspalten von Facebook und Co. unterwegs sind. Zu Beginn seines Buches sagt Ley, er habe genug davon gehabt, tatenlos zuzusehen und gründete nach dem schwedischen Vorbild #jagärhär das deutsche Pendant #ichbinhier.

"Sie verdienen prächtig am Hass"

Dort versammeln sich Menschen, um gemeinsam gegen Hasskommentare anzugehen und sich dabei gegenseitig zu unterstützen. In den Kommentarspalten großer deutschsprachiger Medien stellen sie Tatsachen richtig, entgegnen Hassschreibern sachlich, dass andere Meinungen genauso akzeptiert werden müssten wie die ihre, und Beschimpfung sowie Drohung unangebracht seien. Ley betont im Verlauf des Buches mehrfach wie wichtig es ist, Argumente respektvoll vorzubringen, ohne dem Gegenüber ironisch zu begegnen und überheblich zu sein. Auch wenn 36.000 Mitglieder nicht wenige sind – um überall auf Facebook oder im gesamten Netz Gegenrede zu betreiben, reichen die Freiwilligen nicht aus. Auch die bloße Tätigkeit auf Facebook könne das Problem nicht eindämmen, weshalb Ley einen Verein gegründet habe. „Wir wollen Lösungsansätze vermitteln, Medienkompetenz weitergeben“, schreibt er. Auch Aufklärungsarbeit über Internetkonzerne sei nötig. „Sie verdienen nämlich prächtig am Hass“, lautet sein Urteil. 

In seinem Buch bleibt Ley nicht bei der bloßen Beschreibung seiner Facebook-Gruppe. Abwechselnd beschreibt er die Entwicklung seiner Initiative und stellt die Hintergründe und Zusammenhänge dar, vor denen er den Entschluss der Gründung gefasst hat. Der Hass im Internet habe viele Wurzeln: Foren, in denen Drohungen zu Polizeischutz führten, Verschwörungstheorien, die in Radikalisierung münden, die russische Internet Research Agency, eine Agentur, die gezielt Kommentarspalten aufmischt. Genauso sachlich und ohne Häme, wie Nutzer sozialer Netzwerke gegen Hasskommentare argumentieren sollten, erklärt Ley dem Leser den Unterschied zwischen Privatpersonen, die ihrem Hass und Ärger online Luft machen, sogenannten Trollen, die gezielt Zwietracht säen und Programmen, die Anfeindungen automatisiert verbreiten. Er erklärt, wie diese anstandslose, ausufernde Debattenkultur überhaupt entstehen konnte. Die Verfasser wähnen sich hinter ihren Bildschirmen in Sicherheit, Äußerungen fallen auf die Distanz und in der Anonymität des Internets weit drastischer aus als in wirklichen Begegnungen. Nicht zuletzt prangert Ley auch Facebook an, das nackte Haut schneller löscht als Hass und Gewalt.

Umdenken im Dialog

Ley stellt aber auch klar, dass weder er noch andere gegen alle vorgehen können – Trolle und automatisierte Programme seien darauf ausgelegt, Unruhe zu stiften und nicht an einer sachlichen Debatte interessiert. Doch bei manchen Nutzern setzt im Dialog ein Umdenken ein. Lesern, die der Mut noch nicht verlassen hat oder die gerade wegen dieses düsteren Bildes von den Abgründen des Internets Zivilcourage zeigen wollen, gibt er am Ende des Buches Tipps zur Gegenrede gegen Hasskommentare.

Natürlich ist das Buch Werbung in eigener Sache. Vor allem macht es aber darauf aufmerksam, wie respektlos der Umgang miteinander in sozialen Netzen ist. Und dass das keiner unkommentiert stehen lassen sollte, sondern sagen: #ichbinhier.

Hannes Ley: #ichbinhier. Zusammen gegen Fake News und Hass im Netz, 206 Seiten, ISBN 978-3-8321-9897-8, 20,00 Euro.

Autor*in
Johanna Lehn

studiert Politikwissenschaft und Soziologie und schreibt für den „vorwärts“.

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