Inland

Nach Correctiv-Enthüllungen: AfD-Mann soll Ausschuss-Vorsitz verlieren

Nach den Enthüllungen der Rechercheplattform „Correctiv“ nahm auch der AfD-Fraktionschef in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, am Treffen von Rechtsextremen in Potsdam teil. Er soll nun als Ausschussvorsitzender abgewählt werden. SPD-Fraktionschefin Katja Pähle erklärt, warum.

von Nils Michaelis · 29. Januar 2024
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Zähle

Fordert Konsequenzen nach dem Bekanntwerden der Deportationspläne: Katja Pähle, die Vorsitzende der SPD-Fraktion in Sachsen-Anhalt. 

AfD-Funktionär*innen haben mit anderen Rechtsextremist*innen über Massenausweisungen von Migrant*innen diskutiert. An dem Geheimtreffen nahm auch der der AfD-Fraktionschef aus Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, teil. Die Fraktionen von SPD, CDU und FDP wollen ihn deshalb als Vorsitzenden des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung und Integration abwählen.„Dieser Spuk muss ein Ende haben“, sagt die Vorsitzende der SPD-Fraktion, Katja Pähle.

 

Sind die jüngste Enthüllungen über das Treffen zum Thema „Remigration“ eine neue Qualität, was das Agieren des AfD-Landtagsabgeordneten Ulrich Siegmund und seiner Partei betrifft? Oder bestätigt sich der bisherige Eindruck?

Es ist eine Mischung. Dass Menschen mit Migrationshintergrund nicht mit der Vorstellung von AfD-Politiker*innen von „guten Deutschen“ zu vereinbaren sind, hat uns als SPD-Landtagsfraktion weniger überrascht. Trotzdem besitzt das Treffen in Potsdam, an dem Ulrich Siegmund teilgenommen hat, eine neue Qualität, bezogen auf die rechtsextremen Teilnehmer*innen, aber auch auf die konkret ausgearbeiteten Deportationspläne.

Was bedeutet all das für das Bild von der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt?

Wir wissen schon lange, wo die Fraktion und der Landesverband der AfD stehen. Der Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider wird seit dem Jahr 2020 vom Verfassungsschutz beobachtet und in dessen Bericht namentlich erwähnt. Dass der Fraktionsvorsitzende Ulrich Siegmund an dem Geheimtreffen in Potsdam teilgenommen hat, war zwar eine Überraschung. Bei seinen Reden im Landtag hat er allerdings schon vorher nie einen Hehl daraus gemacht, dass er rechtsextreme Positionen teilt.

Wegen seiner Teilnahme an dem Geheimtreffen soll Ulrich Siegmund den Posten als Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung  und Integration verlieren. Wie sicher ist es, dass im Landtag die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Abwahl zustande kommt?

CDU, SPD und FDP haben einen gemeinsamen Antrag eingebracht. Der Entwurf dazu ist von der SPD! Die Koalition kommt im Landtag auf 56 von 97 Stimmen. Mit seiner jetzt umso offenkundiger gewordenen Einstellung gehört Ulrich Siegmund nicht an die Spitze des Ausschusses, der für Integration zuständig ist. Dieser Spuk muss ein Ende haben.

Wie lange würde es dauern, Siegmunds Ablösung in die Wege zu leiten und umzusetzen?

Das ist ein mehrstufiges Verfahren. Zunächst kommt die Abstimmung im Landtag. Diese wollen wir für die nächste Sitzung im Februar auf die Tagesordnung setzen.

Seit 2016 leitet Ulrich Siegmund den besagten Fachausschusses. Wie ist seine Bilanz? Hat er das Amt für rechte Hetze missbraucht oder hat er etwas Substanzielles geleistet?

Die Sitzungen leitet er neutral. Allerdings nimmt er bei einigen Themen gewisse Setzungen vor. Seine Äußerungen außerhalb des Ausschusses haben nie einen Zweifel daran gelassen, wo er politisch steht. In seinen Reden bei Landtagssitzungen hat er immer wieder Verfassungsorgane beschimpft und sonstige rechte Hetze von sich gegeben.

Sollte die AfD verboten werden? Oder zumindest ihr vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufter Landesverband Sachsen-Anhalt?

Es ist schon länger klar, wie der Landesverband und die Landtagsfraktion aufgestellt sind. Als der rechtsextreme „Flügel“ noch existierte, gab es enge Verbindungen dorthin. Die wehrhafte Demokratie muss all ihre Instrumente gegen Verfassungsfeinde nutzen. Dazu gehört auch ein Parteienverbot. 

Die Entscheidung über die Einleitung eines Verbotsverfahrens liegt allein bei den zuständigen Verfassungsorganen. Jetzt kommt es darauf an, alle verfügbaren Informationen zu nutzen und zu prüfen, ob die Bedingungen für ein Verbot gegeben sind. Ein Verbotsverfahren kann sehr langwierig sein und muss gut untersetzt sein. Das haben wir bei dem Verfahren gegen die NPD gesehen. 

Die wehrhafte Demokratie hat aber auch andere Instrumente. Dazu gehört die Möglichkeit, jemanden von der Spitze eines Landtagsausschusses zu entfernen. Genau das werden wir tun. 

Ein anderes Instrument besteht darin, gemeinsam auf die Straße zu gehen. So, wie wir es jetzt bei den großen Demonstrationen gegen die AfD erleben. Die Menschen sollten jetzt zusammenstehen und sagen, in was für einer Gesellschaft sie leben wollen.

Politiker*innen fordern immer wieder, man müsse sich mit der AfD politisch auseinandersetzen, sie inhaltlich stellen. Wie soll das gehen? 

Diese Auseinandersetzung darf nicht bedeuten, dass man den Parolen der AfD hinterherläuft. So, wie wir es mitunter bei der Migration erleben. Die CDU geht offenbar davon aus, ein paar Prozent Wählerstimmen abgreifen zu können, indem sie bei diesem Thema noch ein paar rhetorische Schippen drauflegt. Ich glaube nicht, dass dieser Plan aufgeht. Wer sich Positionen der AfD annähert, macht diese nur gesellschaftsfähiger.

Wie führt Ihre Fraktion die Auseinandersetzung mit der AfD?

Von uns bekommt die AfD für Ihre Anträge keine Stimmen.  Wenn die AfD im Landtag einen Antrag einbringt, der auf eine bessere Absicherung der ärztlichen Versorgung abzielt, gibt es zwar scheinbar erstmal inhaltlich nichts zu widersprechen. 

Die SPD setzt allerdings auf andere Lösungen als die AfD. Zum Beispiel, indem wir Sachsen-Anhalt auch für medizinische Fachkräfte aus dem Ausland attraktiv machen. Da entscheiden wir uns fundamental von der AfD, die meint, alle Probleme zu lösen, indem sich unser Land abschottet. Diese Unterschiede benennen wir immer wieder und setzen andere Vorschläge dagegen.

Außerdem hilft es manchmal, die Dinge besser zu erklären. Und zu zeigen, dass man sie angeht, anstatt sie wegzureden. Und das hoffentlich mit mehr Erfolg.

Reicht das aus?

Bei völlig kruden Einlassungen machen wir einen Faktencheck und legen dar, warum die AfD Quatsch erzählt. Etwa beim Thema Migration. Anders als von der AfD behauptet, hat die Bundesregierung mit den jüngsten Änderungen geliefert. Wir brauchen klare Regeln, um für Zugewanderte den Zugang zum Arbeitsmarkt zu vereinfachen, aber auch im Umgang mit Menschen, die keinen Anspruch auf Asyl haben. 

Die Menschen müssen wissen, dass der Staat die von ihm gesetzten Regeln anwendet und die Situation im Griff hat. 

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2 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Di., 30.01.2024 - 06:48

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insgesamt erscheint mir die Erkenntnislage in Bezug auf die Correctivfeststellungen dann doch noch klärungsbedürftig. regelrecht erschrocken war ich, als am Sonntag im ARD PRESSECLUB eine Journalistin von CORRECTIV mit Nachdruck darauf hinwies, dass die Teilnehmer des Geheimtreffens nicht von Deportationen gesprochen hätten, jedenfalls stünde CORRECTIV nicht gerade für die Verwendung dieses Begriffs. Sie wisse auch nicht, wer diesen Begriff wann in die öffentliche Debatte eingeführt habe, wo er nun die ganze Causa dominiert. Also: Kann man irgendwo nachlesen, quasi schwarz auf weiß, was dort wortgenau besprochen wurde? Es hilft der ganzen Sache ja nicht, wenn quasi Verdachtsberichterstattung zugrundegelegt wird. Ich bitte das nicht misszuverstehen, die Sache ist zu ernst, um hier Angriffsfläche zu bieten.