International

Orbans Fidesz verlässt EVP: SPD spricht von überfälligem Schritt

Am Mittwoch hat die rechtspopulistische Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán die konservative Fraktion im Europaparlament verlassen. Nach Meinung der SPD war es „höchste Zeit“ dafür.
von Jonas Jordan · 3. März 2021
Abgang am Mittwoch: Viktor Orbáns Fidesz-Partei hat die EVP-Fraktion im Europaparlament verlassen.
Abgang am Mittwoch: Viktor Orbáns Fidesz-Partei hat die EVP-Fraktion im Europaparlament verlassen.

Seit Jahren gab es im Europaparlament Streit wegen der ungarischen Fidesz-Partei und ihrer Zugehörigkeit zur konservativen EVP-Fraktion. Am Mittwoch hat schließlich die EVP-Fraktion im Europaparlament für eine neue Geschäftsordnung gestimmt, um künftig ganze Gruppen aus der Fraktion suspendieren zu können. Die Abgeordneten der ungarischen Regierungspartei Fidesz haben daraufhin umgehend die EVP verlassen.

Bereits am Wochenende hatte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán in einem Brief an Fraktionschef Manfred Weber (CSU) damit gedroht, die Fidesz-Abgeordneten aus der Fraktion zurückzuziehen, falls die Fraktion die Änderung der Geschäftsordnung billigen sollte.

„Schon lange höhlen Orbán und seine Partei den Rechtsstaat aus und handeln anti-europäisch. Warum die EVP das nie gestoppt hat, ist ein Rätsel. Es hätte schneller gehen können“, kommentiert der südhessische Europaabgeordnete und Europabeauftragte im SPD-Parteivorstand, Udo Bullmann. Er ruft gleichzeitig zur Unterstützung aller Demokrat*innen in Ungarn auf.

Zuletzt war es bei den Kommunalwahlen im Oktober 2019 zumindest auf lokaler Ebene teilweise gelungen, die Vormachtstellung von Orbáns Fidesz-Partei zu brechen. Beispielsweise gewann vor einigen Wochen in der Hauptstadt Budapest, in der fast 20 Prozent aller Ungar*innen leben, der oppositionelle Kandidat Gergely Karácsony mit 50,6 Prozent die Oberbürgermeisterwahl knapp. Amtsinhaber Istvan Tarlos, der von Orbáns rechts-nationaler Regierungspartei Fidesz unterstützt wurde, kam nur auf 44,3 Prozent.

Auch für Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten, war es „höchste Zeit“ für den am Mittwoch vollzogenen Schritt. „Die Entscheidung über den Umgang mit Rechtspopulisten in der EVP ist auch ein Kampf um die Seele der christdemokratischen Parteifamilie: Geht es den Konservativen um Macht oder um Werte?  Gut, dass sich hier eine Mehrheit für die europäischen Werte entschieden hat“, kommentiert der Europaabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen. 

Hofiert von Seehofers CSU

Nach Geiers Einschätzung untergräbt Viktor Orbáns Fidesz-Partei seit Jahren Rechtsstaat und Demokratie. Die Regierung des ungarischen Premiers drangsaliere freie Redaktionen bis zur Schließung und scheuche Universitäten aus dem EU-Mitgliedsland. „Seine Asylpolitik verstößt gegen die europäischen Verträge“, sagt Geier. Trotz allem sei der ungarische Regierungschef nicht zuletzt von Politiker*innen der CDU/CSU hofiert und geschützt worden. Beispielsweise lud der damalige CSU-Vorsitzende Horst Seehofer Viktor Orbán noch im Januar 2018 zur jährlichen Klausurtagung seiner Partei ein und verteidigte ihn dort gegen Kritik. Nach der Entscheidung, die auch von Seehofers Parteifreund Weber vorangetrieben wurde, kommentiert Geier: „Richtig, dass dieser Schutzschirm jetzt zugeklappt ist.“

Ähnlich sehen das die SPD-Abgeordneten Delara Burkhardt und Tiemo Wölken. Für Burkhardt ist diese Mittwoch deshalb „ein guter Tag für die europäische Demokratie“, da Fidesz mit dem Austritt aus der größten Fraktion enorm an Einfluss verliere. Für Wölken ist es traurig, „dass es CDU und CSU bis zuletzt nicht geschafft haben, Fidesz selbst dauerhaft rauszuschmeißen“. Für die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Katja Mast, stellt sich letztlich die Frage: „Warum haben CDU/CSU und die EVP Orbán und seine Fidesz so lange in ihren Reihen geduldet? Er und seine Partei treten europäische Werte immer wieder mit Füßen.“

AfD macht Orbán Angebot

Die weitere Entwicklung in der EVP-Fraktion bleibt nach Jens Geiers Einschätzung spannend: „Wie verhalten sich künftig zum Beispiel die Abgeordneten aus der Slowenischen Demokratischen Partei, deren Vorsitzender der Orbán-Freund, Trump-Fan und Ministerpräsident Janez Janša ist? Ich wäre nicht überrascht, wenn der christdemokratische Familienstreit weitergeht." Orbáns Fidesz-Partei bekam derweil ein zweifelhaftes Angebot. Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen verkündete auf Twitter: „Orbán ist bei uns willkommen.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

0 Kommentare
Noch keine Kommentare