Inland

Franziska Giffey: „Mich ärgert es, wenn Berlin schlechtgemacht wird.“

Am 12. Februar wird in Berlin gewählt. Im Interview spricht die Regierende Bürgermeisterin und SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey über ihr Ziel der sozialen Stadt, Berlin-Bashing aus dem Süden und Wahlkampf im Winter.
von Kai Doering · 2. Februar 2023
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey: Als Sozialdemokraten haben wir die ganze Stadt im Blick und nicht nur einzelne Gruppen.
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey: Als Sozialdemokraten haben wir die ganze Stadt im Blick und nicht nur einzelne Gruppen.

Was sollte Markus Söder in Berlin unbedingt gesehen haben?

Der bayerische Ministerpräsident hat ja nach den Vorfällen in der Silvester-Nacht infrage gestellt, ob Berlin überhaupt regierbar ist. Davon kann sich Markus Söder gerne selbst überzeugen. In Berlin mit seinen 3,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern kommen die besten und schönsten Dinge zusammen, aber eben auch die größten Herausforderungen. Herr Söder war ja gerade in Berlin bei der Grünen Woche, und auch sonst kann er sich gerne davon überzeugen, dass Berlin nicht nur Deutschlands wichtigster und größter Messe- und Kongressstandort, sondern auch Kulturhauptstadt, Wissenschafts- und Gesundheitsstandort Nummer eins und Start-up-Metropole ist.

Würde Neukölln, wo Sie zuerst Bezirksstadträtin und dann Bezirksbürgermeisterin waren, auch auf dem Besuchsplan stehen?

Natürlich. Markus Söder sollte auch mal mit den Jugendlichen sprechen, über die Anfang Januar so viel geredet wurde. Ich denke, sie hätten ihm einiges zu sagen.

Sie haben Söder eingeladen, nachdem er Berlin wegen den Ausschreitungen der Silvesternacht Berlin als „Chaos-Stadt“ bezeichnet und eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich angekündigt hatte. Was würden Sie ihm als Spitzenkandidat der CDU antworten?

Über die Sorgen des Spitzenkandidaten der CDU mache ich mir keine Gedanken. Zudem ist die Debatte, die damit aufgemacht wurde, überhaupt nicht zielführend und löst keines der Probleme, über die wir natürlich sprechen müssen.

Das chaotische Bild Berlins wird zumindest durch die vom Bundesverfassungsgericht angeordnete Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl aus dem September 2021 nicht besser. Ärgert Sie das?

Natürlich ist das, was bei den letzten Wahlen vor meiner Amtszeit geschehen ist, nicht gut. Es sind Fehler passiert, die nicht hätten passieren dürfen. Das bedauere ich. Wir tun jetzt alles dafür, dass die Wiederholungswahl reibungslos verläuft. Mich ärgert es, wenn Berlin pauschal schlechtgemacht wird. Das geht an der Wirklichkeit vorbei und wird auch all denjenigen nicht gerecht, die jeden Tag dafür arbeiten, dass unsere 3,7-Millionen-Metropole funktioniert. Ich möchte Berlin lieber mit dem Label einer „Chancen-Stadt“ versehen. Berlin zählt im internationalen Vergleich zu den attraktivsten und innovativsten Städten. Dafür sind in den vergangenen Jahren die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen worden. Und dazu hat auch die SPD einen entscheidenden Beitrag geleistet.

Ziel der SPD ist es, Berlin als soziale Stadt zu erhalten. Was bedeutet das konkret?

Als Sozialdemokraten haben wir die ganze Stadt im Blick und nicht nur einzelne Gruppen. Wir sorgen für sozialen Ausgleich und dafür, dass das Leben in Berlin auch in Zukunft bezahlbar bleibt. Wir sorgen bereits seit vielen Jahren für gezielte Unterstützung von Familien: Dazu gehören die gebührenfreien Kitas, das kostenfreie Mittagessen in der Schule und das kostenfreie ÖPNV-Ticket für alle Schülerinnen und Schüler. Der soziale Zusammenhalt funktioniert in Berlin, weil wir ihn organisieren. Das ist etwas, um das uns viele Städte beneiden, auch international. Wer in der Welt unterwegs ist und sagt, dass er aus Berlin kommt, erhält meistens sehr positive Reaktionen. Das macht mich durchaus stolz.

Im ersten Jahr als Regierende Bürgermeisterin hatten Sie vor allem mit Krisenmanagement zu tun: die Unterbringung Geflüchteter aus der Ukraine, der Umgang mit steigenden Energiepreisen. Wie steht Berlin heute da?

Als ich die Amtsgeschäfte Ende Dezember 2021 übernommen habe, wollten wir gerade durchstarten. Die Corona-Krise hat uns anfangs noch sehr beschäftigt. Dann kam der furchtbare Krieg in der Ukraine mit all seinen Folgen. Zu Beginn kamen teilweise mehr als 10.000 Geflüchtete am Tag in die Stadt, die versorgt werden mussten. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr über 360.000 Menschen aus der Ukraine in Berlin erstversorgt, etwa 100.000 sind geblieben. Das ist eine unglaubliche Leistung, die nur dank einer enormen Solidarität der Berlinerinnen und Berliner, aber auch durch eine unglaubliche Arbeit der Verwaltung und der zivilgesellschaftlichen Organisationen möglich war. Trotz aller Herausforderungen haben wir den Neustart nach der Pandemie gut gemeistert. Wirtschaft und Tourismus in der Stadt haben sich gut entwickelt. Unser Wirtschaftswachstum lag im vergangenen Jahr mit 2,5 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, auch weil wir in der Krise nicht gespart, sondern investiert haben. Ich denke, diese Bilanz kann sich sehen lassen.

Der Wahlkampf ist ganz auf Sie zugeschnitten. Als einziges Thema findet sich das 29-Euro-Ticket auf den Plakaten. Warum gerade das?

Krisenmanagement nehme ich ernst. Das heißt konkret, dass die SPD trotz des Wahlkampfs natürlich die Regierungsverantwortung wahrnimmt. Wir tun das, was die Menschen zu Recht von uns erwarten: nämlich unseren Job zu machen. Das machen wir mit der Überschrift „Arbeiten für Berlin“ deutlich. In einer Zeit, in der alle mit hohen Preisen zu kämpfen haben, stehen dabei natürlich die Entlastungen im Mittelpunkt. Ende letzten Jahres haben wir deshalb ein drei Milliarden schweres Berliner Entlastungspaket geschnürt. Das 29-Euro--Ticket ist dabei eines der wirksamsten Instrumente. Wir wollen es deshalb – anders als die Grünen – auch nach April weiterführen. Bezahlbare Mobilität mit dem öffentlichen Nahverkehr ist eben nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz sondern auch zu mehr sozialer Teilhabe. Und dafür stehen wir.

Ein Ärgernis für viele ist die Schul-Situation. Wie wollen Sie die verbessern?

Bei der Wahl 2021 sind wir mit den fünf B‘s für Berlin als unseren Schwerpunkten angetreten: Bauen, Bildung, Beste Wirtschaft, Bürgernahe Verwaltung und Berlin in Sicherheit. Sie gelten uneingeschränkt weiter. Als Sozialdemokraten ist uns das Thema Bildung natürlich besonders wichtig, weil gute Bildung Chancengerechtigkeit bedeutet. Zum ersten Mal seit 18 Jahren haben wir in Berlin wieder Lehrerinnen und Lehrer verbeamtet, um die Abwanderung ausgebildeter Lehrkräfte in andere Bundesländer zu verhindern. Zusätzlich bilden wir mehr Lehrerinnen und Lehrer aus. Auch bei der Schulsanierung und dem Neubau kommen wir gut voran. 2022 haben wir 8.000 neue Schulplätze geschaffen. Wir haben bereits im vorigen Jahr die Schulbauoffensive für Sanierung und Neubau deutlich aufgestockt – auf mehr als eine Milliarde Euro im Jahr – so viel wie noch nie.

Winter-Wahlkampf ist etwas, das die Berliner SPD bisher kaum kennt. Wie motivieren Sie die Mitglieder, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt auf der Straße zu stehen?

Die Genossinnen und Genossen sind bereits extrem motiviert. Das haben wir beim Landesparteitag im November gesehen, als unser Leitantrag einstimmig beschlossen wurde. Und das sehen wir jetzt jeden Tag an den Infoständen und beim Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Die Bereitschaft zu kämpfen, ist besonders groß, weil alle wissen, worum es geht: Es geht darum, dass das Rote Rathaus rot und die SPD weiter führende und gestaltende Kraft in Berlin bleibt. Dafür bin ich sehr dankbar.

Bei der Wahl im September 2021 lag die SPD in Berlin auch mit Rückenwind aus der Bundespolitik am Ende vorn. Damit ist diesmal nicht zu rechnen. Liegt die SPD trotzdem am 12. Februar vorn?

Wir kämpfen dafür! Wir wollen nicht Umfragekönige werden, sondern die Abgeordnetenhauswahl gewinnen. Dafür arbeiten wir jeden Tag und ich bin mir sicher, dass wir das schaffen werden.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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