FAQ

AfD bleibt Verdachtsfall: Was das Urteil aus Münster bedeutet

Der Verfassungsschutz darf die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen. Das hat das Oberverwaltungsgericht in Münster entschieden. Was daraus folgt und was das für ein mögliches Verbotsverfahren bedeutet – wir beantworten die wichtigsten Fragen.

von Kai Doering · 13. Mai 2024
Die AfD bleibt ein rechtsextremistischen Verdachtsfall. Das hat Konsequenzen für die Partei.

Die AfD bleibt ein rechtsextremistischen Verdachtsfall. Das hat Konsequenzen für die Partei.

Was hat das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden?

Formaljuristisch hatte das Oberverwaltungsgericht Münster über eine Berufungsklage der AfD zu entscheiden. Die Partei hatte bereits 2021 gegen ihre Einstufung als „Verdachtsfall“ durch den Verfassungsschutz geklagt. Da dessen Dienstsitz Köln ist, hatte das erste Verfahren vor dem dortigen Verwaltungsgericht stattgefunden. 

Die Kölner Richter*innen hatten die Klage der AfD bereits im März 2022 abgewiesen. Da die Partei in Berufung ging, war nun das Oberverwaltungsgericht (OVG)in Münster als nächsthöhere Instanz zuständig. Auch das OVG hat die Klage der AfD gegen den Verfassungsschutz nun zurückgewiesen.

Welche Folgen hat das Urteil?

Mit dem Richter*innenspruch aus Münster darf der Verfassungsschutz die AfD weiter als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ einstufen. Dabei handelt es sich um die zweite von drei Stufen der nachrichtendienstlichen Behandlung.

Welche Befugnisse hat der Verfassungsschutz damit gegenüber der AfD?

Hat er eine Partei als „Verdachtsfall“ eingestuft, darf der Verfassungsschutz als Inlandgeheimdienst „nachrichtendienstliche Mittel“ zu ihrer Beobachtung einsetzen. Das umfasst etwa die Anwerbung von Informant*innen innerhalb der AfD beziehungsweise aus ihrem Umfeld, die sogenannten V-Leute. 

Der Verfassungsschutz darf auch Personen aus der AfD beobachten und ihre Kommunikation überwachen. Dabei muss der Verfassungsschutz jedoch zwingend das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beachten und bei jeder Maßnahme abwägen, ob sie wirklich erforderlich ist.

Darf der Verfassungsschutz auch Abgeordnete der AfD überwachen?

Im Prinzip ja. Allerdings gelten für Abgeordnete aus Landtagen, Bundestag und Europaparlament besondere Schutzrechte („Abgeordneten-Immunität“). 2013 hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass die Beobachtung eines oder einer Abgeordneten nur in Ausnahmefällen zulässig ist.

Welche weitere Stufe der Überwachung gibt es?

Erhärten sich nach der Einstufung als Verdachtsfall die Verdachtsmomente gegen eine Partei, kann sie der Verfassungsschutz hochstufen. Sie gilt dann als „gesichert extremistisch“. An den Möglichkeiten und Befugnissen für den Inlandgeheimdienst ändert sich damit nichts. Die Einzelfallentscheidung, wie genau beobachtet wird, kann jedoch unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob die Partei als „Verdachtsfall“ gilt oder als „gesichert extremistisch“.

Was bedeutet das alles für ein mögliches AfD-Verbotsverfahren?

Ein direkter Zusammenhang zwischen der Einstufung des Verfassungsschutzes und einem möglichen Verbotsverfahren besteht nicht. Letzteres kann auch nicht der Verfassungsschutz anstrengen, sondern allein die politische Ebene, genauer Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung. Die Entscheidung über ein Verbot fällt das Bundesverfassungsgericht. 

Sollte es jedoch einmal zu einem Verbotsverfahren kommen, könnten die Ergebnisse einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz wieder relevant werden. Sie könnten dann auch vor Gericht gegen die AfD verwendet werden.

Welche rechtlichen Möglichkeiten hat die AfD nun noch?

Eine Revision hat das Oberverwaltungsgericht in Münster zwar nicht zugelassen, doch die AfD hat die Möglichkeit, Beschwerde gegen das Urteil beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzulegen. 

Die Partei hat bereits angekündigt, diesen Schritt gehen zu wollen. Die Leipziger Richter*innen können das Urteil aus Münster jedoch nur auf mögliche Rechtsfehler prüfen. Die AfD kann damit keine neuen Beweisanträge stellen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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