BNR

Rave gegen Rechts: Wie Görlitz rechten Demos Contra gibt

Seit Jahren ziehen Rechtsextreme jeden Montag durch Görlitz und radikalisieren sich immer mehr. Das Bündnis „Görlitz bleibt bunt“ hat nun mit einem „Rave gegen Rechts“ ein sichtbares Zeichen dagegen gesetzt.
von Jonas Jordan · 4. August 2023
Die Demonstrant*innen bilden den Schriftzug „Görlitz bleibt bunt“.
Die Demonstrant*innen bilden den Schriftzug „Görlitz bleibt bunt“.

„Demokratie ist anstrengend. Demokratie ist langwierig. Demokratie verschafft uns seit fast 80 Jahren Frieden. Demokratie lohnt sich“, so beginnt Daniel Preißler am Montagabend seine Rede. Der 38-Jährige ist Erzieher und leitet die alternative Kindertagespflege „Erdkinder" in Görlitz. Als vor vier Jahren der erste AfD-Oberbürgermeister Deutschlands drohte, gründete er mit zwei Mitstreiter*innen die Initiative „Görlitz bleibt bunt“. Diese rief am Montagabend zu einem „Rave gegen Rechts“ auf, der zeitgleich zu einer rechten Montagsdemo über die Bühne gehen sollte.

Eine Mischung, die Bauchschmerzen bereitet

Denn schon seit rund drei Jahren kommt es immer montags auf dem Postplatz in Görlitz zu einer Kundgebung, bevor die sogenannte Montagsdemo durch die Stadt zieht. Diese werde laut Preißler immer stärker von rechtsextremen Gruppierungen wie den „Freien Sachsen“, der „Jugend ohne Migrationshintergrund“ oder auch der AfD infiltriert. „In den letzten eineinhalb Jahren haben sie sich immer mehr radikalisiert“, sagt Preißler. Nach einer Schlägerei vor einem Görlitzer Club mit drei syrischen Beschuldigten vor wenigen Wochen war die Teilnehmerzahl bei der Montagsdemo noch einmal deutlich gestiegen. 

„Ich wohne dort, wo sie vorbeiziehen, und kann das jeden Montag sehen und hören“, sagt Preißler. Es sei eine Mischung, die ihm Bauchschmerzen bereite. Denn es gebe zwar auch Menschen, die Alltagssorgen haben und diese loswerden wollen. Doch sie würden bewusst die Augen davor verschließen, mit wem sie da mitlaufen. „Das, was die Menschen brauchen, ist ein Gegenangebot. Wir müssen versuchen, Menschen den Freiraum zu geben und ihren Frust loszuwerden, um dann in einer demokratischen Atmosphäre zu schauen, was Gefühl und was Fakt ist“, sagt Preißler im Gespräch mit dem „vorwärts“.

Tanz, Musik und Rechte aus dem Takt

Die Idee für die Veranstaltung am Montagabend entstand in einem Gespräch. „Wir wollen etwas schaffen mit Musik. Einer unserer drei Mitgründer*innen ist selbst DJ. Er hatte die Idee: Lasst uns doch einen Rave gegen Rechts machen“, erzählt er. Die Umsetzung sei ein voller Erfolg gewesen: „Das war eine unglaublich gute Atmosphäre. Es haben Generationen zusammen getanzt.“ 400 bis 800 Menschen seien vor Ort gewesen.

Auf Videos in den sozialen Medien ist zu sehen, wie der Demonstrationszug mit Rechtsextremen vorbeizieht und lautstark übertönt wird. Bunt gekleidete Menschen tanzen fröhlich, während „One More Time“ von Daft Punk aus den Boxen dröhnt. „Wir haben ihnen durch das Tanzen gar keinen Angriffspunkt gegeben. Dadurch haben wir sie aus dem Takt gebracht. Ihre Trommeln haben nicht mehr im Takt geschlagen. Ihre Rufe sind durch die Musik auf dem Platz verhallt“, sagt Preißler.

„Demokratiebrotzeit“ in Planung

Der Faktor Spaß ist aus seiner Sicht sehr wichtig, um Aufmerksamkeit zu schaffen und Angst zu nehmen. Die Idee sei: „Lasst uns die zusammenbringen, die genauso denken wie wir, aber zuhause sitzen und keine Möglichkeit sehen, das kundzutun.“ Deswegen soll der Rave auch nur der Auftakt gewesen sein, gerade mit Blick auf das kommende Jahr, wenn in Sachsen Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen anstehen. Bereits Ende August plant das Bündnis eine „Demokratiebrotzeit“. Dann soll es darum gehen, ein frisch gebackenes Brot zu essen und sich dabei über politische Themen auszutauschen. Die Ergebnisse wollen sie an die Stadt-, Landes- und Bundespolitik weitergeben. Auch um den Menschen zu signalisieren, dass ihre Ansichten nicht egal seien.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

0 Kommentare
Noch keine Kommentare