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Fünf Jahre nach Chemnitz: Prozess wegen Angriff auf SPD-Gruppe startet

Vor mehr als fünf Jahren wurde eine Gruppe mit Sozialdemokrat*innen aus Marburg nach einer Demonstration in Chemnitz von Neonazis angegriffen. Nun startet der Prozess. Zu spät, wie ein betroffener Sozialdemokrat meint.

von Jonas Jordan · 12. Dezember 2023
Fünf Jahre danach erinnert eine Demonstration an die rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz 2018.

Fünf Jahre danach erinnert eine Demonstration an die rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz 2018.

Anfang September 2018 kamen tausende Menschen aus ganz Deutschland ins sächsische Chemnitz, um dort unter dem Motto „Herz statt Hetze“ gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu demonstrieren. Darunter war auch eine 30-köpfige Gruppe aus dem hessischen Marburg mit zahlreichen Sozialdemokrat*innen. Als sich die Gruppe gegen 20 Uhr auf dem Weg zu ihrem Bus machte, den der SPD-Bundestagsabgeordnete Sören Bartol organisiert hatte, wurde sie von 15 bis 20 Personen mit Schlagstöcken angegriffen. Einige bekamen Tritte und Schläge ins Gesicht, SPD-Fahnen wurden zerrissen, eine Person mit sichtbarem Migrationshintergrund durch einen Park gejagt, berichtete Georg Simonsky damals im Gespräch mit dem „vorwärts“.

 

Georg
Simonsky

Fünf Jahre sind definitiv zu lang.

In dieser Woche, mehr als fünf Jahre später, startete nun der Prozess gegen sechs der mutmaßlichen Angreifer. „Fünf Jahre sind definitiv zu lang“, sagt Simonsky, Mitgliederbeauftragter der SPD Marburg-Biedenkopf. Er ist der Meinung, dass es einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Tat und Bestrafung geben sollte, der in diesem Fall nur noch bedingt gegeben sei. Außerdem kritisiert er: „Einige haben mit den Geschehnissen von damals schon abgeschlossen. Nun wird dieser Schockmoment von damals für sie noch mal aufgewärmt, indem sie zum Beispiel als Zeugen geladen sind. Das wäre in einem engeren zeitlichen Zusammenhang leichter gewesen.“

Am Tag des Angriffs auf die SPD-Gruppe aus Marburg, dem 1. September 2018, veranstaltete die AfD gemeinsam mit Pegida und anderen rechtsextremen Gruppen einen sogenannten Trauermarsch nach dem Tod eines Mannes am Rande des Chemnitzer Stadtfestes. Mit dabei waren unter anderem der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke, aber auch der spätere verurteilte Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Ausgehend von diesem Marsch war, so berichtet es der Hessische Rundfunk, eine Gruppe gewaltbereiter Neonazis anschließend in der Stadt unterwegs und traf zuletzt auch auf die Marburger Sozialdemokrat*innen.

Wie fällt das Urteil aus?

Der Angriff an sich habe nur wenige Minuten gedauert, berichtet Georg Simonsky im Gespräch mit dem „vorwärts“. Angesichts der angesetzten Verhandlungstage müsste aber wohl vorher im Laufe des Tages noch mehr vorgefallen sein, glaubt er. Mit einer Einschätzung, was aus seiner Sicht ein angemessenes Urteil wäre, tut er sich dementsprechend schwer, sagt aber so viel: „Ein bandenmäßiger Überfall auf eine Gruppe, die politisch anders eingestellt ist, sollte eine merkliche Sanktion zur Folge haben. Wo kommen wir sonst hin?“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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